Neue Urteile: Krankengeld auch bei verspäteter Krankmeldung

Neue Urteile: Krankengeld auch bei verspäteter Krankmeldung

Hessisches Landessozialgericht Urteile vom 24.09.2020, Az.: L 1 KR 125/20 und L 1 KR 179/20

 

Ein Versicherter, der wegen Arbeitsunfähigkeit (AU) Krankengeld erhält, muss spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende der zuletzt festgestellten AU deren Fortdauer ärztlich bestätigen lassen. Nur dann besteht weiterhin ein Anspruch auf Krankengeld. Die Krankenkassen lehnen regelmäßig  eine weitere Krankengeldzahlung ab, wenn die AU nicht lückenlos festgestellt worden ist.

Das Problem in der Praxis besteht jedoch darin, dass nicht jeder Versicherte auch genau an diesem Tag einen Termin bei seinem behandelten Arzt bekommt. Ist die Arztpraxis geschlossen oder sind keine Termine verfügbar, so steht der Versicherte vor einem nicht unerheblichen Problem und trägt das Risiko, seinen Anspruch auf Krankengeld zu verlieren. Das Problem besteht auch dann, wenn z.B. von der Arztpraxis ein falsches Datum auf der Krankmeldung angegeben wird.

Der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts entschied nun in zwei Urteilen: Wird er an diesem Tag aus organisatorischen Gründen von der Arztpraxis auf einen späteren Termin verwiesen, so kann die gesetzliche Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld nicht mit dem Argument verweigern, die AU sei nicht lückenlos festgestellt worden.

Zu den Fällen:

Eine Versicherte aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg war im Jahre 2018 arbeitsunfähig geworden und erhielt Krankengeld. Das Ende der bescheinigten AU fiel auf einen Freitag. Am folgenden Montag telefonierte die Versicherte mit der Arztpraxis wegen eines Termins für den gleichen Tag. Dabei erfuhr sie, dass ihr Arzt in Urlaub sei und sie bei dem Vertretungsarzt erst am Mittwoch vorstellig werden könne. Dieser Arzt bescheinigte der Versicherten fortdauernde AU.

In einem weiteren ähnlich gelagerten Verfahren wurde die im Odenwaldkreis lebende Versicherte telefonisch von ihrem Hausarzt aus organisatorischen Gründen auf einen späteren Termin verwiesen.

Die Krankenkassen stellten die Zahlungen des Krankengeldes ein.

Das Landessozialgericht gab den beiden Versicherten Recht und stellte nun klar, dass von den Versicherten kein "Arzt-Hopping" und kein "Arzttermin auf Vorrat" verlangt werden kann. Dies sei gesetzlich auch nicht erwünscht.
Die Krankenkassen wurden zur Zahlung von Krankengeld verurteilt. Zutreffend se dem Grunde nach, dass die Fortdauer der AU spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende der zuletzt festgestellten AU ärztlich bescheinigt werden muss. Wenn der Versicherte aber "alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare" getan habe, die ärztliche Bescheinigung zu erhalten, sei jedoch eine Bescheinigungslücke ausnahmsweise     unschädlich. Eine solche Ausnahme liege vor, wenn der rechtzeitig vereinbarte Termin von der Arztpraxis verschoben worden sei. Gleiches gelte auch dann, wenn die Arztpraxis dem Versicherten nur einen späteren Termin anbiete. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Versicherte bereits am Morgen um einen Termin für den gleichen Tag nachfrage.

Hessisches Landessozialgericht Urteile vom 24.09.2020, Az.: L 1 KR 125/20 und L 1 KR 179/20

Rechtsgrundlagen der Entscheidungen:

§ 46 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 10.05.2019 gültigen Fassung
(1) Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung (…) von ihrem Beginn an,
2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem
die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt
wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach
dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten
insoweit nicht als Werktage. (…)

§ 46 SGB V in der ab dem 11.05.2019 gültigen Fassung
(1) Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung (…) von ihrem Beginn an,
2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem
die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt
wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach
dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten
insoweit nicht als Werktage. Für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192
Absatz 1 Nummer 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld
abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen,
wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am
nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines
Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit
ärztlich festgestellt wird.

§ 192 SGB V
(1) Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt erhalten, solange
1. (…)
2. Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht (…)

§ 76 SGB V
(3) Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. (…)

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.

Expertentipp

Wenn Sie mit einer Entscheidung einer Behörde oder einer Krankenkasse nicht einverstanden sind, so legen Sie zwingend Widerspruch ein. Nur so sichern Sie Ihre Rechtsposition.

Sie müssen den Widerspruch innerhalb eines Monats einlegen. Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Ihnen der Bescheid zugestellt wurde.

Fehlt bei dem Bescheid die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist diese unvollständig beziehungsweise unrichtig, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.

Es ist Sorge dafür zu tragen, dass der Widerspruch fristgerecht bei der Behörde eingeht. Achten Sie darauf, dass Sie den Zugang bei der Behörde auch belegen können. Wenn Sie Ihren Widerspruch mit der Post schicken, sollten Sie dies per Einschreiben tun. Falls Sie Ihr Widerspruchsschreiben persönlich bei der Behörde abgeben, lassen Sie sich den Empfang quittieren. Bei einem zur Niederschrift der Behörde eingelegten Widerspruch lassen Sie sich eine Kopie der Niederschrift geben.

Ebenso sieht das Gesetz vor, dass Sie Ihren Widerspruch auch in elektronischer Form erheben können. Dies gilt aber nur, wenn die Ausgangsbehörde dafür einen Zugang eröffnet. Außerdem müssen Sie bei der Einlegung des Widerspruchs die speziellen Vorschriften über die elektronische Kommunikation mit Behörden beachten.

Eine einfache E-Mail genügt nicht der Schriftform!

Ein Muster für einen Widerspruch finden Sie in unserem Download-Bereich.

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.

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