Krankenhausverkürzungspflege und Krankenhausvermeidungspflege

Krankenhausverkürzungspflege und Krankenhausvermeidungspflege

Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung

 

Gesetzestext des § 37 Abs. 1 SGB V:

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Kranken- hausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, dass dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

ALLGEMEINES ZUR LEISTUNG NACH § 37 ABS. 1 SGB V

Sinn der gesetzlichen Normierung ist es, eine stationäre Behandlung im Krankenhaus zu ersetzen oder das Ziel der ärztlichen Behandlung zu sichern. Häusliche Krankenpflege ist eine Leistung der Krankenbehandlung, auf die ein Rechtsanspruch im Rahmen der gesetzliche Krankenversicherung besteht.

Zu unterscheiden sind

Krankenhausersatzpflege (Abs. 1), die neben Behandlungspflege im Einzelfall auch notwendige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung umfasst, sowie

Sicherungspflege (Abs. 2), die nur einen Anspruch auf Behandlungspflege gibt und voraussetzt, dass diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

Die Krankenhausvermeidungspflege nach § 37 Abs. 1 SGB V wird von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet, dass bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung die Leistung von Leistungserbringern (i.d.R. sind dies Pflegedienste) erbracht wird, mit denen die jeweilige gesetzliche Krankenkasse Verträge abgeschlossen hat. Diese Leistungserbringer rechnen die erbrachten Leistungen dann direkt mit der zuständigen Krankenkasse ab. Eine Vorleistungspflicht des Versicherten selbst besteht nicht.

ANSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN

Eine Leistung nach § 37 Abs. 1 SGB V setzt voraus, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies bedeutet, dass der Versicherte bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein muss.

Der Anspruch aus § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst zwei verschiedene Anspruchsgruppen:

- die häusliche Krankenpflege wird bewährt, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder
- die Krankenhausbehandlung vermieden oder -quasi als Unterfall der Vermeidung und von daher nicht gesondert zu zählen - verkürzt wird.

Der Rechtsanspruch auf die häusliche Krankenhausvermeidungspflege besteht, wenn eine entsprechende Verordnung des Hausarztes vorliegt. Der Versicherte hat daher einen Rechtsanspruch auf die Klinik vermeidende oder Krankenhausaufenthalt verkürzende Behandlungspflege. Der Blick in die Praxis zeigt, dass die behandelten Ärzte dies in der Praxis kaum noch verordnen und die gesetzlichen Krankenkassen kaum noch genehmigen. Darauf sollte jedoch von den Betroffenen hingewiesen und bestanden werden.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Krankenhausvermeidungspflege liegen auch dann schon vor, wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit für eine stationäre Behandlung besteht, diese jedoch ohne eine häusliche Krankenpflege erforderlich werden würde. Ein Punkt, der gerade bei der herrschenden Pandemie zu berücksichtigen ist, wenn eine Krankenhausbehandlung vermieden werden soll.

Wenn sich der Versicherte bereits in Behandlung in einem Krankenhaus befindet, besteht der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V trotzdem, wenn durch die Leistung eine vorzeitige Entlassung möglich ist. In diesen Fällen sind die gesetzlichen Krankenkassen angehalten, die Möglichkeiten einer häuslichen Krankenpflege in allen medizinisch vertretbaren Fällen zu erörtern. Eine Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus und dem Vertragsarzt ist zwingend anzuraten.

LEISTUNGSINHALT DER KRANKENHAUSVERMEIDUNGS-/VERKÜRZUNGSPFLEGE

Wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB V gegeben sind, dann stehen dem Versicherten im Rahmen der Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege folgende Leistungen zu: die Grundpflege, die hauswirtschaftliche Versorgung und die Behandlungspflege. Welche Leistungen konkret zu gewähren sind, richtet sich einerseits nach dem Krankheitsbild, andererseits nach den Möglichkeiten, die dem Pflegebedürftigen bzw. den pflegenden Personen verblieben sind.

In diesem Zusammenhang müssen auch die besonderen Bedürfnisse psychisch kranker Versicherter berücksichtigt werden.

Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung können nach § 2a der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie im Rahmen der Krankenhausvermeidungspflege nur im Zusammenhang mit erforderlicher Behandlungspflege verordnet werden.

-> Behandlungspflege
Spricht man von Behandlungspflege, sind damit die medizinischen Hilfeleistungen gemeint, die vom Arzt nicht selbst erbracht werden. Hierzu gehören unter anderem Anleitung bei der Krankenpflege zu Hause, Bedienen und Bewachen eines Beatmungsgerätes, Blutzuckermessen, Krisenintervention, Blutdruckmessen, Einreibungen, Injektionen, Spülungen, Einläufe, Katheterisierung, Infusionen, Inhalationen, Verbandwechsel, Dekubitusvorsorge, Medikamentengabe etc. Bei psychisch Kranken die Vorbeugung bei Suizidgefährdung oder die Sicherung des notwendigen Patientenbeitrags zur ärztlichen Therapie (z.B. Aufklärung über Medikamente und Medikamenteneinnahme).

-> Grundpflege
Die Grundpflege muss als Gegensatz zur Behandlungspflege gesehen werden. Dazu gehören die Körperpflege bei Senioren, Hilfestellungen beim täglichen Essen oder auch Hilfe beim Gang zur Toilette. Auch wenn die Grundpflege im Bett häufig als die scheinbar leichtere Art der Pflege in Abgrenzung zur Behandlungspflege bezeichnet wird, so ist dies doch sehr umstritten.

Auch diese Tätigkeiten sind wichtig für ältere Menschen, die auf Hilfe von Pflegediensten und Pflegekräften angewiesen sind. Deshalb sind auch sie sehr wertvoll und hoch einzuschätzen. Zur Grundpflege gehört auch die sogenannte „24-Stunden-Pflege“ daheim, wobei hier nicht nur die häusliche Pflege an sich im Vordergrund steht. Vielmehr ist die Betreuung rund um die Uhr für viele Senioren die einzige Möglichkeit, in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können und nicht in ein Alten-oder Pflege- heim umziehen zu müssen.

-> Hauswirtschaftliche Versorgung
Hauswirtschaftliche Versorgung umfasst Maßnahmen, die notwendig sind, um grundlegende Anforderungen einer eigen- ständigen Haushaltsführung aufrechtzuerhalten. Hierzu gehören z. B. das Einkaufen, das Reinigen der Wohnung und das Kochen. Diese Leistung bezieht sich allerdings nur auf die Bedürfnisse des erkrankten Versicherten selbst.

LEISTUNGSDAUER

Der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege grundsätzlich für die Dauer, wie sie unter Berücksichtigung der Zielsetzung – also der Vermeidung bzw. Verkürzung der Krankenhausbehandlung – erforderlich ist. Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB V ist der Leistungsanspruch für die Dauer von längstens vier Wochen je Krankheitsfall begrenzt. Nach § 37 Abs. 1 Satz 5 SGB V kann in begründeten Ausnahmefällen dieser Zeitraum verlängert werden, wenn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) festgestellt hat, dass dies erforderlich ist.

Ein neuer Krankheitsfall und damit ein neuer Anspruch auf die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn sich die Notwendigkeit einer erneuten Krankenhausbehandlung ergibt.

ORT DER LEISTUNGSERBRINGUNG

Die häusliche Krankenpflege wird nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Versicherten in dessen Haushalt, dessen Familie oder sonst an einem geeigneten Ort erbracht. Auch wird die Leistung in betreuten Wohnformen, Schulen, Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen zur Verfügung gestellt.

Die Leistungserbringung ist nicht nur auf den Haushalt des Versicherten oder seiner Familie begrenzt. Auch andere Orte können für die Leistungserbringung in Betracht kommen. Diese Orte hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den HKP-Richtlinien nach § 92 SGB V festgelegt.

Bereits in der Rechtsvorschrift des § 37 Abs. 1 SGB V werden als Orte außerhalb des Haushalts/der Familie die Schulen und Kindergärten und die betreuten Wohnformen genannt. Damit hat der Gesetzgeber die ständige Rechtsprechung des Bundes- sozialgerichts gesetzlich umgesetzt.

Nach § 1 Abs. 2 der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie werden als geeignete Orte solche Orte angesehen, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann. Zudem müssen für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen, sofern die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesen Orten erforderlich ist. Die geeigneten räumlichen Verhältnisse beziehen sich unter anderem auf Aspekte der Wahrung der Intimsphäre, der hygienischen Voraussetzungen und der Beleuchtung.

Ist ein Versicherter im Sinne der Sozialen Pflegeversicherung (nach § 14 SGB XI) nicht pflegebedürftig, besteht ein Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege unter Umständen auch in teilstationären Pflegeeinrichtungen (Tagespflege/Nachtpflege), wenn die Leistung dort aus medizinisch-pflegerischen Gründen erforderlich ist. Gleiches gilt für die Einrichtungen der Kurzzeitpflege.

ERBRINGUNG DER LEISTUNG DURCH PFLEGEKRÄFTE

§ 37 SGB V schreibt vor, dass die Leistung der häuslichen Krankenpflege von „geeigneten Pflegekräften“ erbracht werden muss. In Betracht kommen dabei insbesondere Krankenschwestern und Krankenpfleger, Kinderkrankenschwestern, Krankenpflegehelfer und Krankenpflegehelferinnen. Die Erlaubnis wird den Krankenpflegepersonen von der durch die Landesregierung bestimmten Behörde erteilt. Neben diesen Berufsgruppen können aber auch andere geeignete Personen die Krankenhausvermeidungs- pflege / Krankenhausverkürzungspflege – häusliche Krankenpflege – erbringen. In diesem Sinne ist derjenige geeignet, der die im speziellen Fall erforderliche Krankenpflege ordnungsgemäß verrichten kann. Die Anforderungen sind daher an die Art und Schwere der Krankheit des anspruchsberichtigten Versicherten auszurichten.

Nur dann, wenn die Krankenkasse keine Ersatzkraft stellen kann, wandelt sich der Anspruch auf die Naturalleistung in einen Kostenerstattungsanspruch um. Die Kostenerstattung setzt jedoch voraus, dass die Versicherte zunächst bei der Krankenkasse anfragt, ob diese eine Vertragspflegekraft als Naturalleistung zur Verfügung stellt. Nur dann, wenn dies nicht der Fall ist, kann sich dieser Naturalleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch umwandeln. Dann können die Kosten für eine selbst beschaffte Pflegekraft in angemessener Höhe erstattet werden. Als „angemessene Kosten“ werden Kosten angesehen, welche üblicherweise bei der Inanspruchnahme von vergleichbaren Pflegekräften entstehen.

KEINE ERBRINGUNG VON IM HAUSHALT LEBENDEN PERSONEN

Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Ist im Haushalt des Versicherten eine solche Person vorhanden, die die Tätigkeiten in dem erforderlichen Umfang durchführen kann, führt das zum Leistungsausschluss für Leistungen sowohl nach § 37 Abs. 1 und 1a SGB V als auch nach § 37 Abs. 2 SGB V. In der Praxis wird diese Voraussetzung durch eine Erklärung des Versicherten auf dem Antragsformular sichergestellt.

ZUZAHLUNG

Der eingefügte Abs. 5 führt mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eine Zuzahlungspflicht für Versicherte ein, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Diese leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 SGB V ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse. Versicherte haben danach eine Zuzahlung von 10 % der Kosten zu leisten. Die Zuzahlung von 10 % der Kosten ist auf die für die ersten 28 Tage im Kalenderjahr anfallenden Kosten beschränkt. Ferner ist eine zusätzliche Zuzahlung von 10 EUR je Verordnung Pflicht des Versicherten. Die Belastungsgrenzen aus § 62 SGB V sind zu beachten.

Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Downloadbereich. Dort haben wir Patienten/Versicherten eine Patienteninformation zusammengestellt.

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.

Expertentipp

Wenn Sie mit einer Entscheidung einer Behörde oder einer Krankenkasse nicht einverstanden sind, so legen Sie zwingend Widerspruch ein. Nur so sichern Sie Ihre Rechtsposition.

Sie müssen den Widerspruch innerhalb eines Monats einlegen. Die Frist beginnt an dem Tag, an dem Ihnen der Bescheid zugestellt wurde.

Fehlt bei dem Bescheid die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist diese unvollständig beziehungsweise unrichtig, verlängert sich die Widerspruchsfrist auf ein Jahr.

Es ist Sorge dafür zu tragen, dass der Widerspruch fristgerecht bei der Behörde eingeht. Achten Sie darauf, dass Sie den Zugang bei der Behörde auch belegen können. Wenn Sie Ihren Widerspruch mit der Post schicken, sollten Sie dies per Einschreiben tun. Falls Sie Ihr Widerspruchsschreiben persönlich bei der Behörde abgeben, lassen Sie sich den Empfang quittieren. Bei einem zur Niederschrift der Behörde eingelegten Widerspruch lassen Sie sich eine Kopie der Niederschrift geben.

Ebenso sieht das Gesetz vor, dass Sie Ihren Widerspruch auch in elektronischer Form erheben können. Dies gilt aber nur, wenn die Ausgangsbehörde dafür einen Zugang eröffnet. Außerdem müssen Sie bei der Einlegung des Widerspruchs die speziellen Vorschriften über die elektronische Kommunikation mit Behörden beachten.

Eine einfache E-Mail genügt nicht der Schriftform!

Ein Muster für einen Widerspruch finden Sie in unserem Download-Bereich.

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