Elternunterhalt: Immobilien-Finanzierung ist zu berücksichtigen

Elternunterhalt: Immobilien-Finanzierung ist zu berücksichtigen

BGH, Beschluss v. 18.01.2017, Az.: XII ZB 118/16

Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis eines zusätzlichen Altersvermögens schmälert.

Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

Der Fall:
Die Mutter des Klägers war vollstationär in einem Altersheim untergebracht. Das Sozialamt übernahm die ungedeckten Kosten und nimmt den Sohn auf Elternunterhalt in Anspruch. Dieser lebt zusammen mit seiner Ehefrau in einem Eigenheim und gibt die monatlichen Zins- und Tilgungsraten bei der Unterhaltsberechnung gegenüber dem Sozialamt an. Das Sozialamt berücksichtigt bei der Berechnung die Zinszahlungen, jedoch nicht die Tilgungszahlungen. Dies bedingt den Rechtsstreit.

Der BGH führt in seiner Entscheidung aus:

"Die Verpflichtung zur Zahlung von Verwandtenunterhalt findet nach § 1603 Abs. 1 BGB dort ihre Grenze, wo der Unterhaltspflichtige bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt des Berechtigten zu gewähren. § 1603 Abs. 1 BGB gesteht damit jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu; ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt (Senatsbeschluss vom 9. März 2016 - XII ZB 693/14 - FamRZ 2016, 887 Rn. 14 ff.). Die Höhe der als abzugsfähig anzuerkennenden Kosten zu bestimmen, ist dabei in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 117/96 FamRZ 1998, 1501, 1502). [...]

Die Darlehensaufnahme zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie dient dem Wohnbedürfnis der Familie des Unterhaltspflichtigen und damit einem unterhaltsrechtlich grundsätzlich anzuerkennenden Zweck. Wenn und soweit sich die Verbindlichkeiten sowie die hieraus resultierenden Annuitäten in einer im Verhältnis zu den vorhandenen Einkünften angemessenen Höhe halten, mindern sie deshalb das für den Aszendentenunterhalt einzusetzende Einkommen. Würde unter solchen Umständen die Abzugsfähigkeit von Tilgungsleistungen verneint, könnte sich der Unterhaltsverpflichtete ebenso wie bei einer Berücksichtigung eines Wohnwerts in Höhe der objektiven Marktmiete gezwungen sehen, das Familienheim anderweitig zu verwerten, weil er nicht gleichzeitig Elternunterhalt und Tilgungsleistungen aufbringen kann. Eine Verwertungsobliegenheit trifft ihn indessen nicht (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179, 1181 f.).[...]

Ferner bleibt der Vermögenswert einer selbstgenutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt. Insofern besteht jedenfalls dann keine Verwertungspflicht, wenn es sich um den jeweiligen Verhältnissen angemessenes Wohneigentum handelt. Denn der Unterhaltspflichtige braucht bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinzunehmen (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 269/12 - FamRZ 2013, 1554 Rn. 39).[...]

Die vom Senat bislang nicht abschließend entschiedene Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Tilgungsleistungen für eine selbstgenutzte Immobilie im Elternunterhalt auf die Altersvorsorgequote von 5 % anzurechnen sind, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur allerdings unterschiedlich beantwortet.[...]

Nach einer Ansicht sind Tilgungsaufwendungen für die selbstgenutzte Immobilie als Altersvorsorge auf die Obergrenze für absetzbare zusätzliche Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 5% des Bruttoeinkommens anzurechnen. Erreichen oder übersteigen bereits die Tilgungsaufwendungen die Obergrenze, sollen weitere Altersvorsorgebeiträge nicht mehr absetzbar sein (OLG Hamm FamRZ 2015, 1974, 1976; OLG Karlsruhe Urteil vom 28. Juli 2010 - 16 UF 65/10 - Rn. 85, 90; Reinken NZFam 2016, 1, 7; Seiler FF 2014, 136, 141). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm wird der Umstand, dass der eigene Lebensstandard des Verpflichteten gegenüber Elternunterhaltsansprüchen in höherem Maße schutzwürdig ist als gegenüber anderen Unterhaltspflichten, schon dadurch hinreichend berücksichtigt, dass die Selbstbehaltssätze deutlich höher seien, der Wohnvorteil einer eigengenutzten Immobilie nicht mit dem vollen Mietwert angesetzt werde und dass beim Elternunterhalt für Altersvorsorgeaufwendungen bereits eine um einen Prozentpunkt höhere Obergrenze gelte. Im Übrigen seien Tilgungsverpflichtungen, die vor Absehbarkeit von der Unterhaltsbedürftigkeit eingegangen worden seien, zum Schutz des Unterhaltspflichtigen auch dann regelmäßig voll absetzbar, wenn sie bereits als solche die Obergrenze für die Altersvorsorgeaufwendungen überschritten (OLG Hamm FamRZ 2015, 1974, 1976; s. auch OLG Karlsruhe Urteil vom 28. Juli 2010 - 16 UF 65/10 - Rn. 84 f.).[...]

Nach der Gegenauffassung sollen Tilgungsaufwendungen für eine selbstgenutzte Immobilie nicht auf die Altersvorsorgequote angerechnet werden, jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige die Verbindlichkeiten vor Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung eingegangen ist (Wendl/Wönne Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 993; Hauß FamRZ 2016, 521 ff.; ders. FamRB 2016, 153, 157 f.; ders. FamRZ 2013, 870; Palandt/ Brudermüller 76. Aufl. § 1601 Rn. 9; Thormeyer FamRB 2013, 310, 311). Diese Auffassung sieht sich durch die bisherige Senatsrechtsprechung bestätigt (vgl. etwa Hauß FamRZ 2013, 870; Thormeyer FamRB 2013, 310, 311).[...]

Nach Auffassung des Senats sind nur die den Wohnwert nach Abzug der Zinsen übersteigenden Tilgungsleistungen auf die Altersvorsorgequote von 5 % anzurechnen.[...]

Die den Wohnwert und eine zusätzliche Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens übersteigende Tilgungsleistungen sind demgegenüber grundsätzlich nicht absetzbar. Denn insoweit steht der durch die Vermögensdisposition und die später hinzugekommene Unterhaltspflicht bedingte Einschränkung des Lebensstandards eine entsprechende höhere Alterssicherung gegenüber. Ob etwas anderes gilt, wenn dadurch die Immobilienfinanzierung gefährdet wäre oder sich der Unterhaltspflichtige aus einem vor Bekanntwerden seiner Unterhaltspflicht zusätzlich abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag nicht lösen bzw. diesen nicht beitragsfrei stellen kann (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179, 1181 f.), braucht im vorliegenden Fall mangels entsprechender Feststellungen nicht entschieden zu werden.[...]”

BGH, Beschluss vom 18. Januar 2017 - XII ZB 118/16 - OLG Schleswig AG Eckernförde

 

Expertentipp

Die BGH-Entscheidung führt zu folgender Berechnung/Vorgehensweise in der Praxis:

Bei der Berechnung des Elternunterhaltes ist das unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zunächst durch die Zinsleistungen zu bereinigen. Dann sind die Tilgungsraten bis zur Höhe des Wohnvorteils abzuziehen. Sodann erfolgt der Abzug der Tilgungsraten, die den Mietwert überstiegen (max. 5 % des Bruttoeinkommens).

Abschließend muss eine Einzelfallprüfung erfolgen. Hier muss geprüft werden, ob ggf. mehr als die 5 % des Bruttoeinkommens zu berücksichtigen sind. Dies kann der Fall sein, wenn z.B. die Finanzierung der Immobilie wegen anderen Verbindlichkeiten gefährdet ist.

Alle Angaben ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.

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