Ein Taschengeld in Höhe von 50.- € ist nicht auf Hartz 4 anzurechnen
Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 07.06.2017, Az.: S 12 AS 3570/15 – rechtskräftig
Der Kläger erzielte Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit und erhielt darüber hinaus 110.- € monatlich von seiner Mutter und weitere 50.- € monatlich Taschengeld von seiner Großmutter. Das Jobcenter bewilligte aufstockende Grundsicherungsleistungen und berücksichtigte dabei die Zahlungen der Mutter und der Großmutter vollständig als Einnahmen. Dagegen richtete sich die Klage. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass das Taschengeld seiner Großmutter in Höhe von 50.- € nicht angerechnet werden dürfe, da eine solche Anrechnung grob unbillig sei.
Die 12. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf hatte über diesen Fall zu entscheiden und folgte den Ausführungen des Klägers. Laut dem SGB II seien zwar grundsätzlich alle Einnahmen auf die Grundsicherungsleistungen anzurechnen. Eine Ausnahme gelte aber soweit dann, wenn die Anrechnung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen würden, dass daneben Leistungen nicht gerechtfertigt wären. Im vorliegenden Fall sei die Berücksichtigung grob unbillig. Das Taschengeld der Großmutter sei für die Finanzierung von Bewerbungskosten bestimmt gewesen. Es sei nicht dafür gedacht, den Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Eine Anrechnung würde die Bemühungen des Klägers, „auf eigene Füße“ zu kommen, beeinträchtigen. Außerdem sei ein Taschengeld in Höhe von 50,00 € so gering, dass daneben ein Leistungsbezug noch gerechtfertigt sei. 50,00 € entsprächen lediglich etwa einem Achtel des Regelbedarfs.
Genau heißt es im der Urteilsbegründung:
"Die Anrechnung des von der Großmutter des Klägers an diesen zugewendeten Betrages von monatlich 50 Euro war unzulässig, da die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 11 a Abs. 5 SGB II gegeben sind. Nach dieser Vorschrift sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit
1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
Die Kammer sieht bereits den Fall der groben Unbilligkeit nach § 11 a Abs. 5 Nr. 1 SGB II als gegeben an. Grobe Unbilligkeit liegt vor, wenn der Einsatz der Einnahmen zum Lebensunterhalt anders als im Regelfall durch Hinzutreten atypischer Umstände als übermäßig hart, d.h. als nicht zumutbar oder als in hohem Maße unbillig erscheint (vgl. SG Reutlingen, Urteil vom 13. Oktober 2014 – S 7 AS 2735/13 –). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Kläger das zugeflossene Taschengeld nach seinem glaubhaften Vortrag dazu nutzte, um davon Bewerbungsaktivitäten (Fahrtkosten, Bewerbungsschreiben etc.) zu finanzieren. Diesen Zuwendungszweck bestätigt auch die Großmutter des Klägers in ihrem Schreiben an das Gericht vom 17.08.2016 auf die gerichtliche Anfrage vom 09.08.2016 hin. Zudem hat der Kläger ab dem 01.01.2015 von dem zugeflossenen Geldern seiner Großmutter ein Darlehen zur Förderung seiner selbstständigen Tätigkeit im IT- Bereich getilgt, was sowohl aus der schriftlichen Bestätigung des Darlehensgebers, Herrn O, vom 19.08.2016 auf Anfrage des Gerichts vom 09.08.2016, als auch aus der Einzahlungsquittung vom 23.08.2014 hervorgeht. Der Kläger hat daher mithilfe des von seiner Großmutter zugeflossenen Geldes versucht, entsprechend § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II seine Hilfebedürftigkeit zu verringern, um wirtschaftlich "auf eigenen Füßen" zu stehen. Da das SGB II auf vielfältige Art und Weise Motivations- und Leistungsanreize setzt, ist es somit nicht vereinbar, die Bemühungen des Klägers zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit über die Anrechnung des Taschengeldes auszuhebeln. Bereits aus diesem Grund ist die hier vom Beklagten vorgenommene Anrechnung als Einkommen grob unbillig. Der Gesetzgeber hat zudem bei der Schaffung der Regelung des § 11 a Abs. 5 Nr. 1 SGB II gerade als Indiz für die gewollte Anrechnungsfreiheit genannt, dass die Zuwendung erkennbar nicht auch zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden soll (BT- Drucks. 17/1304, S. 94). Angesichts des hier erfolgten Zuwendungszwecks liegt es auf der Hand, dass das Taschengeld nicht des physische Existenzminimum des Klägers sichern sollte, sondern ihm vielmehr helfen sollte, seine Hilfebedürftigkeit durch Bewerbungsbemühungen und der Förderung der selbstständigen Tätigkeit zu verringern oder beenden.
Ferner ist der Tatbestand des § 11 b Abs. 5 Nr. 2 SGB II erfüllt, da die Einnahme eines Taschengeldes von monatlich 50 Euro die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Hierbei verweist die Kammer explizit auf des gesetzgeberischen Willen (Bt. – Drucks. 17/3404, S. 95), wonach gelegentliche oder regelmäßige Aufwendungen Anderer, die üblich oder gesellschaftlich akzeptiert sind, ohne Berücksichtigung bleiben. Exemplarisch ist dabei in den Gesetzesunterlagen die hiesige Fallkonstellation, ein geringfügiges monatliches Taschengeld der Großeltern, genannt. Der Zuwendungsbetrag von monatlich 50 Euro ist auch so gering, dass er die Lage des Klägers nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Hier ist schließlich zu beachten, dass es sich dabei lediglich um etwa 1/8 des für den Kläger maßgeblichen Regelsatzes und somit einen geringen Betrag handelt. Zudem hat das BSG mit Urteil vom 28.02.2013 (Az.: B 8 SO 12/11 R) einen Zuwendungsbetrag von 60 Euro als "gering" bezeichnet und unter Außerachtlassung des Zuwendungsgrundes eine Anrechnung bei einer Zuwendung in dieser Höhe ausgeschlossen. Dem schließt sich die Kammer vollumfänglich an, sodass vorliegend eine Anrechnung von 50 Euro monatlich nicht zu erfolgen hat."
Urteil vom 07.06.2017 – Az.: S 12 AS 3570/15 – rechtskräftig –
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