Das selbstgenutze Eigenheim und die Kosten für Unterkunft und Heizung

Das selbstgenutze Eigenheim und die Kosten für Unterkunft und Heizung

Finanzierungskosten wie Schuldzinsen und unvermeidbare Gebühren können zu den Kosten der Unterkunft und Heizung zählen

Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt hat in einem Urteil vom 16. November 2022 (Az.: L 4 AS 224/19) entschieden, dass bei selbstgenutzten Eigenheimen auch die Finanzierungskosten – wie die Schuldzinsen für ein Darlehen sowie andere von der finanzierenden Bank erhobene Gebühren – zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) gehören. Dies betrifft allerdings nur Kosten, die unvermeidbar sind, wie beispielsweise Kontoführungsgebühren, nicht aber Gebühren, die aufgrund von verspäteter Ratenzahlung anfallen. Zudem wurde klargestellt, dass ein Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit, der nicht erwerbstätig ist, keinen Anspruch auf den Erwerbstätigenfreibetrag hat. Allerdings können notwendige Ausgaben, wie die Mitgliedsbeiträge zu einer Gewerkschaft, vom Einkommen abgezogen werden. Tilgungsleistungen für Darlehen sind hingegen nur in Ausnahmefällen von den Grundsicherungsleistungen zu übernehmen, etwa wenn ohne diese Übernahme die Gefahr eines Wohnungsverlusts besteht.

Was war genau geschehen?

Der Kläger begehrte in diesem Verfahren höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) für den Zeitraum von Juni 2016 bis Mai 2017. Er lebt mit seiner Ehefrau in einem Eigenheim auf dem Land, das eine Wohnfläche von etwa 100 m² auf einem 1.500 m² großen Grundstück hat. Das Haus wird durch eine Ölzentralheizung beheizt, die auch für die Warmwasserbereitung zuständig ist. Der Kläger bezieht eine Rente aufgrund teilweiser Erwerbsminderung und ist nicht erwerbstätig. Zur Finanzierung des Eigenheims hatten er und seine Frau zwei Bauspardarlehen aufgenommen. Die Eheleute führten bereits mehrere sozialgerichtliche Verfahren, in denen sie höhere Leistungen nach dem SGB II geltend machten, insbesondere in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Sie vertraten die Auffassung, dass sie für die Betriebskosten ihres Eigenheims Leistungen in derselben Höhe erhalten sollten wie Mieter für die Bruttokaltmiete, was in ihrem Fall 424 Euro monatlich entspräche.

Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich. Das Gericht entschied, dass die Bescheide des Beklagten teilweise zu ändern seien, da dem Kläger im strittigen Zeitraum höhere Leistungen zustanden. Grundlage des Leistungsanspruchs ist § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 in Verbindung mit §§ 7 ff., 20 ff. SGB II. Leistungsberechtigte Personen, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II, das die Sicherung des Lebensunterhalts umfasst, einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Das Gericht stellte fest, dass das im Miteigentum des Klägers stehende Eigenheim nicht zur Minderung seines Anspruchs führe, da es gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als Schonvermögen gilt. Die Wohnfläche von 100 m² überschreitet nur geringfügig die vom Bundessozialgericht (BSG) festgelegte Grenze von 90 m² für von zwei Personen bewohnte Eigenheime. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich das Eigenheim in einer kleinen, ländlichen Gemeinde mit rund 300 Einwohnern befindet. Aufgrund dieser Lage sei es unwahrscheinlich, dass das Anwesen einfach verwertet werden könne. Auch die Grundstücksgröße von 1.500 m² sei im ländlichen Raum ortsüblich und stehe daher der Angemessenheit nicht entgegen.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, sofern diese als angemessen gelten. Die Angemessenheit der Kosten bei Eigenheimbesitzern wird dabei anhand derselben Kriterien wie bei Mietwohnungen beurteilt. Der Kläger hatte argumentiert, er könne monatliche Leistungen in Höhe der Bruttokaltmiete sowie Heizkosten beanspruchen, unabhängig von den tatsächlichen Kosten seines Eigenheims. Das Gericht stellte jedoch klar, dass das BSG nicht entschieden habe, dass Hauseigentümern dieselben Leistungen wie Mietern zustehen. Vielmehr wird die Angemessenheit der Kosten nach den gleichen Kriterien geprüft. Für den Kläger bedeutet dies, dass nur die tatsächlichen monatlichen Aufwendungen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit berücksichtigt werden.

Zu diesen Aufwendungen zählen die Betriebskosten, wie die Grundsteuer, Wasserversorgung und -entsorgung, Abfallgebühren, Schornsteinfeger, Heizungswartung, Instandsetzungskosten, Gebäudeversicherung sowie die Heizkosten. Auch die Finanzierungskosten des Eigenheims, insbesondere die Schuldzinsen für die aufgenommenen Darlehen, gehören zu den KdUH. Tilgungsleistungen hingegen werden in der Regel nicht übernommen, da die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind und nicht der Vermögensbildung oder Schuldentilgung dienen sollen.

Es gibt allerdings eng begrenzte Ausnahmefälle, in denen Tilgungsleistungen ausnahmsweise übernommen werden können, etwa wenn die Gefahr besteht, dass ohne die Übernahme der Wohnungsverlust droht. Solche Ausnahmen kommen in Betracht, wenn die Finanzierung des Wohneigentums bereits weitgehend abgeschlossen ist und der Erwerb des Eigentums außerhalb des Bezugs von SGB II-Leistungen erfolgte. In solchen Fällen tritt das Ziel, den Wohnraum zu erhalten, in den Vordergrund. Das Gericht betonte jedoch, dass ein Eigentümer grundsätzlich ebenso wie ein Mieter das Risiko eines Wohnungswechsels trägt.

Im Fall des Klägers waren die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht gegeben. Der Kläger hatte nur unzureichend Informationen über die Finanzierung des Eigenheims und seine wirtschaftliche Situation vorgelegt. Das Gesamtfinanzierungsvolumen blieb unklar, jedoch war bekannt, dass der Tilgungsanteil etwa 80 % betrug. Nach Ansicht des Gerichts bestand keine konkrete Gefahr eines Wohnungsverlustes, wenn die Tilgungsanteile nicht übernommen würden. Die monatliche Belastung durch die Tilgungsraten von rund 80 Euro sei relativ gering und durch Einsparungen kompensierbar. Zudem gab es in der Vergangenheit keine Unregelmäßigkeiten bei den Ratenzahlungen.

Neben den Schuldzinsen können auch andere Finanzierungskosten berücksichtigt werden, etwa Kontoführungsgebühren, die von der darlehensgebenden Bank erhoben werden und denen der Darlehensnehmer nicht entgehen kann. Im Fall des Klägers waren dies Kontoführungsgebühren von knapp 10 Euro pro Jahr. Darüber hinaus fielen regelmäßige Kosten für die Grundsteuer (ca. 45 Euro), die Gebäudeversicherung (ca. 300 Euro jährlich) sowie die Abfallentsorgung (ca. 30 Euro) an. Im Februar 2017 hatten die Eheleute Heizöl im Wert von rund 1.000 Euro gekauft, und im März 2017 war eine Schornsteinfegerrechnung in Höhe von knapp 100 Euro fällig.

Da der Kläger nicht erwerbstätig war, hatte er keinen Anspruch auf den Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 11b Abs. 2 SGB II. Allerdings entschied das Gericht, dass die von ihm entrichteten Mitgliedsbeiträge zur Gewerkschaft in Höhe von etwa 5 Euro monatlich als notwendige Ausgaben gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II abzusetzen sind. Obwohl diese Beiträge streng genommen keine direkten Ausgaben zur Erzielung des Einkommens darstellen, haben sie einen Nutzen für die Einkommenssicherung, da der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Eine zukünftige Erwerbstätigkeit sei jederzeit möglich, weshalb der Gewerkschaftsbeitrag berücksichtigt werden müsse.

Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt stellt klar, dass Finanzierungskosten wie Schuldzinsen und unvermeidbare Gebühren zu den Kosten der Unterkunft und Heizung zählen können. Tilgungsleistungen sind jedoch nur in Ausnahmefällen übernahmefähig. Außerdem bestätigte das Gericht, dass Gewerkschaftsbeiträge als notwendige Ausgaben vom Einkommen abgezogen werden können, auch wenn der Leistungsbezieher nicht erwerbstätig ist.

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